Was kommt nach dem Tod?

Die Frage haben Sie sich möglichweise auch schon gestellt, vielleicht aber auch nicht. Doch was hat das Thema mit IT-Sicherheit oder Datenschutz zu tun? Ich möchte es Ihnen hier in diesem Blog erklären. Zum Einstieg erzähle ich Ihnen eine wahre Geschichte. Ein Mann hatte über die Jahre ein riesiges Vermögen in mehreren Millionen Dollar angehäuft. Doch das Vermögen bestand nicht aus klassischem Gold oder Bargeld wie das von Dagobert Duck. Nein, es bestand aus der digitalen Kryptowährung. Er war sogar einer der Gründer der Kryptowährungsbörse QuadrigaCX, die zum Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs im Jahr 2019 als Kanadas grösste Kryptowährungsbörse galt.

Nun empfehlen IT-Sicherheitsexperten, dass ein Passwort nicht verraten und nur im Kopf abgespeichert werden soll – und im Normalfall stimmt das. Hier aber wurde genau das der Witwe dieses Mannes zum Verhängnis. Denn nach seinem überraschenden Ableben hatte die Witwe des Millionärs mangels Passwort keine Möglichkeit, auf dieses Vermögen zuzugreifen; stattdessen musste sie Bankrott anmelden. Ein Schatz, der nun in der Tiefe des Internets verschwunden ist. Deswegen macht es Sinn, sich mit seinem digitalen Nachlass zu befassen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Bitcoin – Gründer tot, Passwort futsch: Kryptobörse kann 190 Millionen Dollar nicht auszahlen (luzernerzeitung.ch)

 

Das digitale Vermächtnis

Daten über Daten

In unserer digitalisierten Welt haben wir mittlerweile eine Unzahl von Daten und diversen virtuell vorhandenen «Besitztümern» angesammelt: In der Cloud gespeicherte Dokumente, elektronische Fotosammlungen, Profilinhalte von sozialen Medien, aber auch E-Mail-Nachrichten oder nur noch elektronisch und zunehmend auch nicht mehr lokal gespeicherte Geschäftsunterlagen, Bankauszüge und Rechnungen. In unserem täglichen Gebrauch von sozialen Medien, E-Mails und Cloud-Diensten hinterlassen wir unauslöschliche digitale Spuren. Diese Spuren bilden im Laufe der Zeit ein komplexes Geflecht an Daten. Selbst nach unserem Tod verschwinden diese digitalen Abdrücke nicht einfach. Sie bleiben als eine Art digitales Erbe zurück, dessen Zusammenstellung und Verwaltung eine herausfordernde Aufgabe darstellen.

 

Verlorene Spuren, ewige Erinnerungen, offenbarte Geheimnisse

Nachdem wir sterben, ändert sich im Grunde genommen wenig. Unsere digitalen Fussabdrücke bleiben erhalten, so wie sie waren. Einige Anbieter mögen Konten löschen oder in einen Erinnerungszustand versetzen. Doch wir hinterlassen unzählige Spuren, von denen die genaue Menge kaum vorstellbar ist. Die meisten davon sind vermutlich ausserhalb unserer Kontrolle und gehören nicht zu unserem digitalen Erbe. Was wir digital vererben können, basiert auf den Dingen, für die wir zu Lebzeiten rechtliche Ansprüche hatten. Zum Beispiel sind E-Mail- oder Social-Media-Konten Verträge, und im Todesfall übertragen sich die Rechte und Pflichten daraus auf unsere Erben. Aber unser digitales Erbe umfasst noch mehr: geistige Schöpfungen, Domainnamen, digitale Vermögenswerte wie Kryptowährungen und sämtliche Daten auf lokalen Speichermedien wie Festplatten und Smartphones. Das sind die Teile unseres digitalen Nachlasses.

Es ist von entscheidender Bedeutung, sich um den eigenen digitalen Nachlass zu kümmern. Die Kontrolle über Ihre digitalen Angelegenheiten zu behalten ist der Schlüssel. Ohne klare Regelungen besteht das Risiko des Verlusts von Vermögenswerten oder der Unwissenheit der Erben über den Umgang mit Ihren digitalen Hinterlassenschaften, was potenziell zu Konflikten führen kann. Auch um die Hinterbliebenen zu entlasten, sind klare Regelungen hilfreich. Darüber hinaus könnten persönliche und vertrauliche Dinge, die Sie vielleicht lieber anders behandelt hätten, entweder gelesen oder nicht gelesen werden. Ein unregulierter digitaler Nachlass birgt grundsätzlich immer ein Risiko des Missbrauchs Ihrer Daten. Selbst zu Lebzeiten hat man oft keine absolute Kontrolle darüber, was mit den eigenen Daten passiert. Es ist möglich, sich jetzt darum zu kümmern, aber später könnten Ihre Erben möglicherweise nicht mehr in der Lage oder nicht gewillt sein, sich damit zu befassen.

 

Was kann ich tun?

Digitaler Nachlass

Da wir nie wissen, wann unsere letzte Stunde schlägt, sollten wir Vorkehrungen treffen und uns mit dem Thema beschäftigen. Zunächst ist es wichtig, sich einen klaren Überblick über den eigenen digitalen Nachlass zu verschaffen. Danach sollte man sich überlegen, ob man beispielsweise möchte, dass ein Instagram- oder LinkedIn-Profil nach dem Tod weiterbesteht oder nicht. In diesem Zusammenhang sind die Zugangsdaten entscheidend. Für die Erben kann es sehr zeitaufwändig und kompliziert sein, sich durch die Vielzahl der Anbieter zu wühlen, um den digitalen Nachlass zu ordnen. Deshalb ist es entscheidend, eine Liste mit sämtlichen existierenden Benutzerkonten und den dazugehörigen Zugangsdaten zu erstellen. Fragen Sie sich einmal selber:  Welche digitalen Konten und Dienste nutze ich regelmässig und welche davon sind für meine Hinterbliebenen relevant? Welche digitalen Vermögenswerte (wie Kryptowährungen) besitze ich und wie können meine Erben darauf zugreifen? Was sind die wichtigen Aspekte meines digitalen Erbes, die meine Hinterbliebenen nach meinem Tod berücksichtigen und verwalten müssen?

 

Rechtliche Aspekte

Das Erbrecht, also das, was nach dem Tod mit unserem Besitz, besonders was in der digitalen Welt liegt, ist ziemlich kompliziert und auch nicht vollumfänglich geregelt. Das Recht darauf, dass unsere privaten Informationen nach unserem Tod geschützt werden, gibt es leider nicht. Ein Beispiel: wenn Unternehmen während unseres Lebens Daten über uns gesammelt haben, gibt es normalerweise Regeln, die uns erlauben würden, diese Daten löschen zu lassen. Aber nach unserem Tod können die Erben das nicht mehr tun – nur wir können das Löschen zu Lebzeiten beantragen. Ob das irgendwann anders wird, ist momentan unklar. Auch in Bezug auf Kryptowährungen gibt es noch viel Unsicherheit, wie der Umgang damit nach dem Tod des Besitzers rechtlich geregelt ist.

 

Ohnmacht

Leider ist es nicht wirklich möglich, alles Digitale von uns komplett zu löschen. Selbst wenn ich zum Beispiel meine iCloud lösche, bleiben meine Kontakte vielleicht immer noch in den iCloud-Kontakten meiner Freunde erhalten. Und auch wenn wir etwas löschen, gibt es normalerweise noch irgendwo eine Kopie davon. Ausserdem stimmen wir fast jeden Tag Nutzungsbedingungen zu, die anderen erlauben, unsere Daten zu nutzen. Heutzutage „bezahlen“ wir also mit unseren Daten, wenn wir kostenlose Dienste nutzen – das ist ein ziemlich hoher Preis, den wir dafür bezahlen.

 

Praktische Tipps für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Privatpersonen

Für Arbeitgeber empfehle ich, folgende Massnahmen zu treffen:

  • Prozess für den Todesfall eines Mitarbeitenden schaffen
  • Richtlinien für den digitalen Nachlass erstellen
    • Umgang mit Daten
    • Richtlinien für Unternehmenskonten
    • Vertraulichkeit und Datenschutz der firmenspezifischen Daten sicherstellen
  • Trennung Firma und Privates anstreben
  • Sensibilisierung der Mitarbeitenden
  • Zugangsdatenmanagement / Stellvertretungsmanagement
    • Festlegung von Verantwortlichkeiten
  • Rechtliche Beratung und Compliance einholen
  • Kommunikation mit den Familien der Mitarbeitenden
    • Unterstützung und Informationen anbieten, um den digitalen Nachlass zu regeln, ohne dabei die Unternehmensdaten oder -reputation zu gefährden

Für Arbeitnehmer empfehle ich, folgende Massnahmen zu treffen:

  • Trennung von Privatem und Geschäftlichem
    • Keine geschäftlichen Daten auf privaten Geräten
  • Wichtiges Wissen dokumentieren
  • Zugangsdaten für allgemeine Accounts der Firma sicher lagern
  • Stellvertretung regeln
  • Klärung mit Arbeitgeber / Berücksichtigung von Firmenrichtlinien

Für Privatpersonen empfehle ich, folgende Massnahmen zu treffen:

  • Übersicht verschaffen, Liste erstellen
    • Planung des digitalen Nachlasses, was für Daten haben Sie? Daten sichern und entscheiden, welche davon im Todesfall erhalten bleiben sollen
    • Wie regeln Sie den Zugriff auf Ihre Daten? → Account-Zugangsdaten (Benutzername, Passwort, E-Mail, …)
      • Passwort-Tresor verwenden
        • Zugriff auf Passwort-Tresor regeln evtl. in Testament, Bankschliessfach etc.
      • Wie lauten die genauen Internetadressen (www…..ch)
      • Hochsichere Dokumentenspeicher-Lösungen mit integriertem Datenvererbungsmechanismus, die als Teil einer umfassenderen Dienstleistung funktionieren, können helfen
      • Zugangsdaten zum persönlichen Computer
    • Dienste kündigen, die nicht mehr benötigt werden / Benutzerkonti löschen
  • Traditionelle erbrechtliche Instrumente wie Testamente sind auch für digitale Nachlässe wichtig
    • Welche Daten sollen erhalten bleiben?
      • wie ist mit welchen Accounts/Profilen und Onlinekonten zu verfahren (sperren, löschen, in welcher Form weiterführen, …)
      • welche digitalen Inhalte sind gegenüber welchen Personen geheim zu halten
    • Wer soll Ihren digitalen Nachlass verwalten?
      • konkrete Nennung der Person(en) und des jeweiligen Zugangs
    • Nachlasskontakte hinterlegen – z.B. bei Google, Facebook, Apple
  • Vorsorgeberatung
    • Bei der Vorsorgeberatung sollte verstärkt auf die Planung des digitalen Nachlasses geachtet werden. Wichtige Dokumente sollten sicher gesichert und für den Zugriff im Todesfall leicht zugänglich sein.
  • Digitalen Nachlass aktualisieren
    • Wenn Sie aus Sicherheitsgründen Passwörter regelmässig ändern, vergessen Sie nicht, die oben erwähnte Liste bzw. den Passwort-Tresor zu aktualisieren.

Für Hinterbliebene von privaten Personen:

  • Mit der Familie über das Thema sprechen
  • Verschaffen Sie sich einen Überblick
    • Was für Daten und Online-Konti sind vorhanden?
  • Zugriff zu E-Mail-Konti verschaffen
  • Sind kostenpflichtige Abos oder Verträge vorhanden?
  • allgemeine Benutzerkonti löschen oder in Gedenkzustand setzen
    • Was wünscht sich wohl der Verstorbene

 

Allzeit bereit

Der Umgang mit dem digitalen Nachlass ist in der heutigen digitalisierten Welt von entscheidender Bedeutung. Der Text verdeutlicht, dass der Tod keine Grenze für unsere digitalen Fussabdrücke setzt – unsere Online-Präsenz und digitalen Vermögenswerte bleiben oft erhalten und stellen eine Herausforderung dar, wenn keine Vorkehrungen getroffen werden. Die Geschichte des Kryptowährungsbörsegründers, dessen Millionenvermögen nach seinem Tod unzugänglich wurde, veranschaulicht die Komplexität des digitalen Erbes.

Das Bewusstsein für den digitalen Nachlass und die entsprechenden Vorsorgemassnahmen sind für Privatpersonen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermassen von grosser Bedeutung. Klare Vorkehrungen und Regelungen bezüglich des digitalen Erbes, wie die Aufbewahrung von Zugangsdaten in einem Passwort-Tresor, die Festlegung von Verantwortlichkeiten im Unternehmen oder die Sensibilisierung der Mitarbeitenden, sind wesentliche Massnahmen, um potenzielle Konflikte und den Verlust von Vermögenswerten zu verhindern.

Es ist zu betonen, dass sowohl rechtliche Instrumente wie Testamente als auch moderne digitale Lösungen zur Verwaltung des digitalen Nachlasses wichtig sind. Die Schaffung von Richtlinien, die Aufteilung von Daten und Konten sowie die transparente Kommunikation innerhalb der Familie sind unerlässlich, um einen geordneten und respektvollen Umgang mit dem digitalen Erbe zu gewährleisten. Letztlich liegt es an jedem Einzelnen, sich aktiv mit seinem digitalen Vermächtnis auseinanderzusetzen und frühzeitig Vorkehrungen zu treffen, um potenzielle Risiken und Probleme im Todesfall zu minimieren.

 

Quellen

Leitfaden digitaler Nachlass | Swisscom

Digitale Hinterlassenschaft: wichtige Tipps → Wer bekommt Zugriff auf Daten? – ZEITBLÜTEN (zeitblueten.com)

Digitaler Nachlass – Was passiert mit meinem digitalen Ich nach dem Tod? – News – SRF

trex.ch/de/der-digitale-nachlass-sterben-und-erben-im-internetzeitalter/

Das digitale Erbe oder der digitale Nachlass – Lebe ich im Internet weiter? (erbplaner.ch)

Informationen zum Autor: Stephan Berweger